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Wie viel „ICH“ braucht Ihr Content?

Sie wollen sichtbarer sein? Ihr Business oder Ihre Karriere voranbringen? Dann sollten Sie diesen einen Fehler nicht machen: In Ihren Social-Media-Präsenzen oder in Ihrem Blog ausschließlich auktorialen Content zu teilen. Was das ist und wie Sie Ihre Sichtbarkeit für Vertrauens- und Beziehungsaufbau nutzen können, darüber erfahren Sie mehr in diesem Artikel.

Auktorialer Content? Nun, Sie haben in der Schule wahrscheinlich in Deutsch etwas über mögliche Erzählperspektiven in Romanen gelernt, also z.B. über den allwissenden, sog. „auktorialen Erzähler“ oder über den „Ich-Erzähler“. Jede Perspektive hat eine andere Wirkung auf die Lesenden:

  • Ein auktorialer Erzähler kann den Leser*innen alle Informationen über jede Person der Handlung, deren Vergangenheit und auch Zukunft vermitteln. Er ermöglichen das „Big Picture“, den Überblick über die gesamte Handlung.
  • Beim Ich-Erzähler erleben die Leser*innen die Geschichte aus dem Blickwinkel einer Person heraus. Auf diese Weise erfahren die Leser*innen eine stärkere Identifikation mit der erzählenden Person und es entsteht Nähe: Sie können alle Gedanken, Erlebnisse und Gefühle dieses Menschen in einer Geschichte oder einem Roman direkt miterleben.

Gehen wir einmal weg von Romanen hin zur Selbstdarstellung im Netz. Eine auktoriale Erzählperspektive liest sich online so:

  • Da wird z.B. ein Artikel aus einer Zeitung geteilt – ohne dass die Teilenden den Kontext dazu liefern, warum sie die Lektüre des Artikels empfehlen.
  • Ein Blogartikel wird aus einer neutralen Perspektive heraus geschrieben: Man müsste, sollte… ganz neutral geht es da zu, der Autor bringt seine persönliche Perspektive, seine eigenen Erfahrungen oder Erlebnisse nicht ein.
  • Auf der Webseite der Person ist kein Foto von ihr zu finden, sondern nur auf der „Über mich“-Seite. Es geht nur um die Sache, das Business, das Produkt.

Doch wie ist die Wirkung eines auktorialen Erzählers auf die Lesenden und die Webseiten-Besucher?

Stellen Sie sich vor, Sie gehen spazieren und kommen an einem Haus vorbei, bei dem die Türe offensteht. An der Türe ist ein Schild angebracht, auf dem steht: „Kommen Sie doch herein!“ Wie fühlt sich das an? Mysteriös erstmal:

Wer wohnt da? Warum soll ich reingehen? Ist das eine Falle? Was ist anderen passiert, die da reingegangen sind?

Das alles werden Sie sich vielleicht fragen. Ganz anders stellt sich die Situation dar, wenn jemand vor der Tür steht, Sie herzlich begrüßt, Sie mit einem Lächeln hereinbittet und Ihnen die Informationen liefert, warum Sie reinkommen sollten. Er macht Sie neugierig, erzählt Ihnen Geschichten, warum er sein Haus öffnet, was ihn dazu bewegt, warum andere in sein Haus kommen und was sie darüber sagen. Nun können Sie entscheiden:

  • Ja, dieser Person möchte ich Vertrauen schenken.
  • Das, was im Haus auf mich wartet, interessiert mich.
  • Die Person, ihr Angebot, ihre Community passen zu mir und ich bin neugierig geworden. Oder eben nicht.

Sie wünschen sich also einen sichtbaren Gastgeber, der etwas von sich preisgibt, damit sie ihn näher kennenlernen wollen, damit Sie ihm zuhören möchten und Sie schnell entscheiden können:

Relevant, interessant, glaubwürdig, vertrauenswürdig? Oder eben nicht.

Daraus folgt:

In Ihrer Contentgleichung darf der Faktor ICH eine wichtige Rolle spielen! Denn wenn Sie für Ihr Angebot, Ihre Dienstleistung oder Ihr Produkt stehen, dann sind Sie Repräsentant*in und Gastgeber*in aller Informationsangebote zu Ihrer Person im Netz. Und dann wollen die Menschen mehr über Sie wissen:

  • Ihre Haltung zu gewissen Dingen.
  • Ihre Geschichten, Ihre Erfahrungen, was Sie erleben.
  • Ihr Fachwissen, Ihre Expertise.
  • Wer Sie kennt und wen Sie kennen.
  • Ihre Wirkungskraft, Ihre Autorität, Ihr Einfluss, Ihr Resonanzfeld.
  • Ihr Social Proof: Was andere über Sie sagen und wie viele Ihnen folgen.
  • Und nicht zuletzt: Wer Sie sonst noch so sind, also alles, was Ihre Persönlichkeit betrifft: z.B. Humor, Interessen, Purpose, für was Sie stehen, warum Sie das alles tun usw.

Resonanz braucht persönliche Information

Ihre Besucher*innen wünschen sich Informationen über Sie als Absender*in: Nur dann können Sie Ihr Angebot, Ihre Aussagen und Handlungen interpretieren, einordnen und es kann die emotionale Nähe entstehen, die so wichtig ist für den Aufbau von Vertrauen. Und das ist wiederum die Voraussetzung für eine Kaufentscheidung oder eine Empfehlung. Untersuchungen zeigen, dass Kaufentscheidungen zu 20% nach rationalen und zu 80% nach emotionalen Kriterien getroffen werden. Und um die Emotionen der Menschen anzusprechen, mit denen wir in Verbindung treten möchten, müssen wir uns authentisch und offen zeigen. Das erreichen wir, indem wir etwas von uns selbst teilen. Lesen Sie dazu auch: Wie man mit Vertrauen Kunden gewinnt

Es lohnt sich, bei der Auswahl der Inhalte z.B. für den Blog, Social Media oder den Newsletter über den Aspekt „Vertrauensaufbau“ nachzudenken:

  • Welches Wissen, welche meiner Erfahrungen, welche Inspirationen tragen dazu bei?
  • Wie persönlich zeige ich mich?
  • Welche Themen erzeugen welche Gefühle?

Ihre Erzählperspektive spielt eine wichtige Rolle bei der Entstehung des Eindrucks, den andere Menschen von Ihnen gewinnen. Denn wenn wir einen Blick auf die Onlineauftritte erfolgreicher Influencer werfen, stellen wir schnell fest: Sie berichten immer wieder aus ihrem ganz persönlichen Blickwinkel von ihrer Arbeit. Sehen Sie sich zum Beispiel einmal das LinkedIn-Profil von Cawa Younosi, LinkedIn TOP VOICE / Head Of People Germany SAP, Member Of Management Board an. In seinen Interviews, Videos oder Beiträgen teilt er Persönliches, eigene Erfahrungen und seine Haltung zu verschiedenen Themen aus der Arbeitswelt. Viele Menschen inspiriert das, sie können damit in Resonanz gehen und ihn als Vorbild für eine neue HR- und Unternehmenskultur identifizieren.

Was uns davon abhält, in der Ich-Form zu erzählen

Nun sagen Sie vielleicht, dass es Ihnen unangenehm ist, über sich selbst zu sprechen. Sie möchten kein*e Selbstdarsteller*in sein. Vielleicht sind Sie sich nicht sicher, was Ihr Publikum von Ihnen erfahren möchte. Vielleicht leiden Sie unter dem „Imposter-Syndrom“, das Ihnen ständig „Du bist nicht gut genug, Du bist kein Experte!“ ins Ohr flüstert. Möglicherweise haben Sie nach längerer Konzernzugehörigkeit Ihre innere Stimme noch nicht gefunden. Vielleicht möchten Sie anderen nicht auf die Nerven gehen und Sie befürchten, zu viel über sich selbst zu erzählen. Oder Sie haben Angst vor Erfolg oder Kritik, wenn Sie Ihre Ecken und Kanten zeigen. Und schließlich wurde doch schon alles von allen gesagt und wir leiden doch eh schon unter einer Inhaltsflut in den sozialen Netzwerken – und im Internet sowieso.

Lesen Sie dazu auch: Die eigene Suppe, der tiefe Quark und German Angst: 7 Tipps gegen die Angst vor der Selbst-PR

Was gute Gastgeber*innen tun

Nun, Bescheidenheit ist an sich keine schlechte Eigenschaft und sie spricht für Sie. Auch Bedenken zu haben, ist eine nützliche Eigenschaft. Doch sich dahinter zu verstecken – das verhindert langfristig den Vertrauensaufbau, wenn Sie Kunden und Aufträge gewinnen möchten oder sich für eine neue Karrierestation interessieren. Also investieren Sie Ihre Energie in den Aufbau von Vertrauen Ihrer Person gegenüber und präsentieren Sie sich als großzügige*r Gastgeber*in:

  1. Ein*e gute*r Gastgeber*in ist fürsorglich und hat das Wohl der Gäste im Blick, sie oder er wird also nur über Themen sprechen, die für die Gäste relevant und interessant sind. Wer Veganer zu Gast hat, wird kein Fleischgericht kochen und wer Tierhaarallergiker eingeladen hat, bringt den Hund vorher noch schnell zur Nachbarin. Sie oder er ist höflich, herzlich, offen.
  2. Ein*e gute*r Gastgeber*in sorgt für ein unterhaltendes Element, für gute konstruktive Gespräche, zeigt Humor. Sie oder er ist interessiert, hört gut zu und hält das Gespräch am Laufen.
  3. Ein*e gute*r Gastgeber*in ist zuverlässig, sie oder er hält die Verabredung ein, sagt nicht kurzfristig ab oder ist beim Eintreffen der Gäste von deren Besuch überrascht. Sie oder er hält das versprochene Format ein – ohne unangenehme Überraschungen für die Besucher*innen.
  4. Ein*e gute*r Gastgeber*in kann auch mal Fehler machen, steht dazu, entschuldigt sich und korrigiert sie.
  5. Ein*e gute*r Gastgeber*in ist aufrichtig, bleibt bei der Wahrheit und bewahrt sicher vertrauliche Informationen. Sie oder er zeigt sich transparent in Bezug auf eigene Absichten.
  6. Ein*e gute*r Gastgeber*in beweist Integrität und handelt nach den selbst proklamierten Werten. Sie oder er spricht über selbst erzielte Ergebnisse und Erfolge und erkennt die Leistung und den Beitrag anderer daran an.
  7. Ein*e gute*r Gastgeber*in ist professionell authentisch. Was das bedeutet? Der amerikanische Autor Seth Godin hat einmal davon erzählt, dass er lieber zu einem professionellen Chirurgen geht als zu einem authentischen. Denn ein gänzlich authentischer Chirurg könnte vielleicht ehrlich über seine Angst vor einer Operation sprechen, seine Bedenken äußern, aber das würde dem Patienten ja nicht helfen und seine Angst vor dem Eingriff vergrößern. Seth Godin wünscht sich stattdessen einen professionellen Chirurgen, der jede OP mit Erfolg abschließt und mit dem besten Heilungswillen und größten Erfahrungsschatz ans Werk geht. Ich stimme ihm da zu. Auch wir sind eingeladen, bei der Auswahl der Inhalte und Geschichten, die wir von uns preisgeben, eine Auswahl zu treffen, die uns in unserer Professionalität und in einem beruflichen Kontext beleuchtet.
  8. Ein*e gute*r Gastgeber*in ist großzügig, sie hat genug für alle gekocht und noch Reserven für Überraschungsbesucher eingeplant. Sie oder er begegnet den Gästen mit Wertschätzung und unterstellt anderen die besten Absichten. Der Vertrauensvorschuss sorgt dafür, dass sich alle wohl und angenommen fühlen. Sie oder er sparen nicht mit Anerkennung, Wertschätzung, Lob und Dank an andere Menschen.
  9. Ein*e gute*r Gastgeber*inzeigt Kontinuität und Konsistenz, in dem, was sie oder er tut.
  10. Ein*e gute*r Gastgeber*in liebt ihre oder seine Gäste. Sie oder er ist aufmerksam, stellt Verbindungen her und moderiert das Gespräch.

Wenn ich meine Beiträge in LinkedIn der vergangenen Monate so analysiere, dann ist es vor allem das Storytelling in eigener Sache, das für breite Resonanz gesorgt hat: Wenn ich über meine Erfahrungen berichtet habe, über das, worauf ich stolz bin und wenn ich Fotos von mir gezeigt habe.

Immer nur ich? Nein, Sie müssen keinen Trumpismus leben. Lesen Sie dazu: Ich-ohne-Du-Strategie: Die 10 Todsünden der Selbst-PR. Es geht um die Balance: Nicht zu viel, nicht zu wenig – das wohldosierte „Ich“ in der Selbstdarstellung hat nicht nur den Vorteil, dass andere Menschen Sie besser kennenlernen und Vertrauen zu Ihnen aufbauen können. Es gibt noch eine andere Dimension:

„When I share, I learn“ sagt Austin Kleon.

In seinem Blogartikel berichtet der amerikanische Künstler und Autor Austin Kleon („Alles nur geklaut“ heißt sein erfolgreiches Buch) über ein Gespräch mit dem YouTuber Ali Abdaal. Dieser berichtete ihm davon, dass er mit seinen YouTube-Videos viel bessere Ergebnisse erzielt, wenn er sie z.B. mit der Überschrift „How I Remember Everything I Read“ statt dem anonymeren „How to Remember Everything You Read“ betitelt. Die Verwendung des Wörtchens „Ich“ lässt ihn aus seiner eigenen Erfahrung heraus sprechen und gibt den Zuschauern das Gefühl, sie können sich daraus etwas ziehen, was sie brauchen, um dann ihr eigenes Ding zu machen. Weiter schreibt er darüber, dass Schüler sich untereinander genauso effektiv unterrichten können wie Lehrer. Ein Prinzip übrigens, das in Montessori-Schulen schon lange gelebt wird. Beurteilen Sie selbst: Wo sind Sie neugieriger? Bei dem Satz

„Ich bin ein Experte und werde Ihnen etwas beibringen.“

oder bei diesem Angebot:

„Ich bin ein Kommilitone und ich teile mit Dir, was ich gelernt habe, und vielleicht kannst Du damit etwas anfangen?“

Austin Kleon sagt etwas ganz Entscheidendes in seinem Blogartikel: „Es geht nicht darum, sich auszuweisen oder ein Experte zu sein. Es geht darum, einen Raum zu öffnen, mit der Arbeit zu beginnen, die erledigt werden muss, Ihre Ideen zu teilen und lange genug zu bleiben, damit die Leute auftauchen und auf sinnvolle Weise mit Ihnen interagieren können, um etwas Dauerhaftes zu erschaffen.“

Was soll ich denn nur posten?

Austin Kleon gibt den entscheidenden Tipp in einem Satz:

„Part of this is also forgetting about job titles and focusing on the work that should be done.”

Konzentrieren Sie sich auf die Arbeit, die Sie tun wollen. Auf die Menschen, denen Sie helfen wollen. Auf Ihr Projekt, mit dem Sie die Welt verbessern wollen. Auf nützliche Informationen, um Orientierung zu geben.

Die einzige Person, die Ihnen die Erlaubnis dazu geben kann, etwas von sich zu zeigen, sind Sie selbst! Haben Sie keine Angst, Stellung zu beziehen und Ihre Geschichten zu erzählen. Niemand liest gerne austauschbare Mittelmaßartikel, die im Lehrbuch-Stil daherkommen. Zeigen Sie Ihre Expertise und Ihre Haltung! Erzählen Sie Geschichten, Ihre Geschichten! Belegen Sie sie mit Fakten und zuverlässigen Daten aus glaubwürdigen Quellen. Sorgen Sie dafür, dass Sie aus Ihrer Rolle als Gastgeber heraus kommunizieren: Man darf Sie, Ihre Persönlichkeit und Ihre Erfahrungen in Ihrem Content spüren.

Soll ich meine Texte von KI, also künstlicher Intelligenz, schreiben lassen?

Es klingt so leicht: Ganz einfach einen Impuls dem Chatbot schicken und eine perfekte Abhandlung dazu bekommen, aus der man mit wenigen Änderungen einen Blogartikel oder LinkedIn-Beitrag erstellen kann. Ob Neuroflash, ChatGPT, Jasper Art oder Copy.ai – sie alle versprechen lesbare Artikel und verwertbaren Content in kürzester Zeit.

Doch es gibt Risiken für das Schreiben mit Artificial Intelligence:

Erste Untersuchungen haben ergeben, dass die KI-Software nur bestehende Inhalte zusammenträgt. Ihre Texte könnten also Plagiate sein, ohne dass Sie es wissen.

Den Texten fehlt das Salz in der Suppe: Nämlich Ihr Herz, Ihre Erfahrungen, Ihre Seele, Ihre Persönlichkeit – all das, was Sie ausmacht und was Ihre Einzigartigkeit herstellt. Es fehlt das Gefühl für die Marke Ihres Unternehmens.

Eines ist sicher: Sachtexte bauen keine Beziehung auf. Sie sind austauschbar.

Meine Empfehlung: Künstliche Intelligenz ist in einem ersten Schritt wunderbar als Recherche-Tool zu nutzen. Doch in einem zweiten Schritt sollte es darum gehen, einen eigenen Text zu schreiben. Einen, den nur Sie schreiben können mit Ihrem „Ich“ und Ihrem speziellen Know-how. Einen, der Ihre Kunden mit den besten Informationen versorgt zu den Fragen, die sie rund um Ihre Angebote und gelösten Probleme haben.

Verfassen Sie keine anonymen Texte. Liefern Sie nützlichen Content, den nur Sie schreiben können für Menschen, denen nur Sie auf Ihre Weise nützen können!