Wer eine hohe Bekanntheit für sein Business oder seine Karriere braucht, steht oft vor dem Sichtbarkeitsdilemma: „Soll ich wirklich bloggen? Mich in Social Media zeigen? Ich möchte aber meine Privatsphäre bewahren!“ das höre ich immer wieder von Führungskräften, CEO’s oder Selbständigen, wenn ich bei der Gestaltung ihres Images und ihres digitalen Fußabdrucks berate. Weil es vielen schwer fällt, die Trennlinie zu ziehen zwischen einem authentischen Auftritt und der Geborgenheit des Privatlebens, beschreibe ich hier meinen Weg, wie ich lernte, die sozialen Medien zu lieben!
Wenn ich nicht selbständig wäre – ich wäre nicht vertreten in den Social Media. Ungefähr 66% der Deutschen, die sich im Internet tummeln, denken wohl genauso: Sie sind weder in Facebook noch in Twitter noch sonst einer Plattform zu finden. Sie haben entweder keine Lust, müssen dort nicht sein oder gehören zu den Ängstlichen.
Und dann gibt es ein großes „Mittelfeld“ mit Menschen, die für ihr berufliches und geschäftliches Fortkommen auf Selbstvermarktung angewiesen sind und – mal mit mehr, mal mit weniger Spaß und Erfolg – das gestalten, was man im Digitalen über sie erfahren soll.
Mein Urteil vor 2011: Was für eine gigantische Zeitverschwendung! Abgeschreckt hatten mich anfangs die Menschen, die sog. „Oversharing“ betreiben und ihren Followern kein Detail, keine Sekunde ihres Lebens ersparen. Zu ihrem Publikum wollte ich nicht gehören, dafür habe ich einfach nicht die Zeit.
Es hat ein bisschen gedauert, bis ich mich an diese Form des Online-Netzwerkens gewagt habe, doch irgendwann hat bei mir – einer passionierten In Real Life-Netzwerkerin – die Neugierde gesiegt.
Der Sprung ins Ungewisse hat sich gelohnt, denn meine Online-Sichtbarkeit funktioniert für mich: Mein Blog ist der Dreh- und Angelpunkt meiner ganz persönlichen Content-Strategie. Mit ihm zeige ich mein Wissen „in der Praxis“, mache nützlich auf mich aufmerksam und rufe mich in Erinnerung. Die Folgen: Alte Kunden erinnern sich an mich, neue Kunden werden auf mich aufmerksam, ich werde empfohlen und ich kann Vertrauen zu Menschen aufbauen, die mich noch nicht kennen. Mein Blog ist meine Referenzmappe im Internet. Meine Inhalte verteile ich zudem in Twitter sowie in den Business-Netzwerken XING und LinkedIn.
Likes und Kommentare kommen nicht sofort und von allein
Die richtigen Inhalte zu finden, die Likes und Kommentare hervorrufen und fleißig geteilt werden – das dauert oft und manchmal vergehen Monate des Experimentierens. Das war auch bei mir so. Erst mal zurechtfinden, schauen, was meine Vorbilder auf den verschiedenen Plattformen so machen – das war meine Devise. Und nicht nur auf’s Online-Marketing verlassen: Der digitale Beziehungsaufbau funktioniert immer nur zusammen mit dem Beziehungsaufbau IRL – im echten Leben, auf Netzwerktreffen, Messen, Kongressen und bei Vorträgen. Ganz strikt habe ich deshalb immer die Regel eingehalten, mich online nur zu vernetzen, wenn ich die Person vorher persönlich kennengelernt habe.
Bei meinen digitalen Streifzügen habe ich immer wieder gesehen: Erfolgreich waren die Posts und Beiträge, die die Leser zum Lachen brachten – Stichwort Katzenbilder – oder sie emotional berührten. Viele Likes bekommen auch die Posts, die direkt mit einem Aspekt der Persönlichkeit des Absenders zu tun hatten – Stichwort Authentizität – oder die extrem nützlich waren. Viele Menschen kuratieren in den sozialen Medien nützliche Inhalte, d.h. sie finden interessante Inhalte im Netz und verbreiten sie, manche schreiben viel selbst. Persönliche Erfahrungsberichte der Autoren schneiden in Sachen Likes und Shares immer sehr gut ab.
Ich habe aber auch gesehen: Bei vielen Menschen vermischen sich in ihren Online-Präsenzen Privates und Berufliches fast automatisch: Urlaubsbilder, Cappuccino-Fotos und das Bild vom Enkelkind sind in vielen Fällen im gleichen Facebook-Stream zu sehen wie Bilder von Konferenzen, Links zum eigenen Blog oder der Hinweis auf die eigene Firmenveranstaltung. Denn schließlich sind wir als Menschen immer gleichzeitig Privatpersonen und Angestellte oder Selbständige.
Trennlinien, ihr Verschwinden und die Folgen
Das Verschwimmen der Trennlinie wird jedoch von vielen Menschen nicht als Problem wahrgenommen: Sobald ich mit Managern, Unternehmerinnen und Unternehmern über das Schwinden der Privatsphäre spreche, beobachte ich erstmal irritierte Blicke, um dann immer und immer wieder den gleichen Satz zu hören: „Na, ich habe ja nichts zu verbergen!“
Ja, das stimmt natürlich. Und doch hat unser digitaler Auftritt Folgen. Denn: Wir sind uns oft nicht bewusst,…
- welches Bild wir von uns in den Köpfen der anderen erzeugen („Die trinkt ja den ganzen Tag nur Cappuccino, na, da muss das Geschäft wohl nicht gut laufen….!“),
- wer so alles mitliest und
- was in der Zukunft – ggf. unter veränderten Rahmenbedingungen und mit neuen technischen Möglichkeiten – aus unseren hinterlassenen Daten, Bildern, Fotos interpretiert werden kann.
Von der Angst, ein gläserner Mensch zu sein
Der Buchautor, Blogger und Podcaster Michael Seemann beschreibt das neue Phänomen der Unbeherrschbarkeit von Information: „Es gibt aber einige Voraussetzungen im Digitalen, die diese Prozesse auf eine neue Stufe gehoben haben: die Allgegenwart von Kameras, Sensoren, Messgeräten. Von Handykameras, GPS-Sensoren und Kreditkarten über intelligente Stromzähler bis hin zu Verkehrsleitsystemen – die analoge Welt wird immer stärker mit der digitalen vernetzt. Dazu kommen immer größere Speicher- und Leitungskapazitäten. Und ganz entscheidend: Aus bereits bestehenden Daten lassen sich immer neue Erkenntnisse gewinnen.“
Für diese Erkenntnisse interessieren sich nicht nur Unternehmen und Datenhändler, die uns mittels cleverer „Big Data“-Strategien als neue Kunden gewinnen wollen. Da kommen auch noch andere, ungewollte Mitleser dazu:
- Da recherchiert der Headhunter, wenn er sich einen neuen Kandidaten anschaut.
- Da liest die Versicherung mit, ob der neue Kunde schlechte oder risikoreiche gesundheitliche Angewohnheiten hat.
- Da identifizieren die digitalen Heiratsschwindler – sog. Romance Scammer – und andere Menschen mit miesem Karma labile Kandidaten für Ihre Abzockstrategien.
- Da sucht der Vermieter nach lauten Party- und musikalischen Angewohnheiten, bevor er den Mietvertrag anbietet.
- Oder Banken sehen nach, ob ein Kredit eine wirklich gute Idee ist.
Geschenke, Doktoren und die Polizei
Sie glauben, von diesen digitalen Überraschungen sind wir noch weit entfernt? Dann sehen Sie sich diese Geschichte an: Die Bloggerin Eva Ihnenfeldt bekam als Gag einen falschen Doktortitel Honoris Causa geschenkt. Sie berichtete darüber mit einem Schmunzeln in ihrem Blog und unterschrieb mit ihrem neuen „Titel“. Kurz darauf bekam sie Besuch von der Polizei: Hausdurchsuchung wegen Titelmissbrauchs.
„Das Private ist in Zukunft keine Selbstverständlichkeit, die rechtlich abgesichert ist, sondern muss aktiv erzeugt und erhalten werden“, schreibt Janine Seitz im Blog des Zukunftsinstituts. Und weiter sagt sie: „Jeder wird zum Kurator seiner eigenen Datenbestände.“
Um diese Datenbestände clever zu verwalten, braucht man sowohl das nötige Wissen – die sog. Datenkompetenz – als auch ein Konzept dafür, was man von sich – auf nützliche und gewinnbringende Art und Weise – auf Dauer zeigen möchte.
Was Datenkompetenz anging begab ich mich nach einer Reise nach London im November 2014, bei der ich anlässlich des Rememberance Days viel darüber nachgedacht hatte, wie wir heute Erinnerungen weitergeben, auf eine Recherchetour. Ich informierte mich über die Möglichkeiten, Chancen und Risiken, über verschiedene Denkweisen, Interpretationen und Vorhersagen zur schönen neuen Datenwelt.
Fazit: Das Internet vergisst nichts. Deshalb müssen wir heute überlegen, als wer wir in Erinnerung bleiben wollen: Als die Frau mit den Cappuccinobildern oder die, spannende Projekte zum Erfolg und bedeutende Themen in die Diskussion gebracht hat? Pünktlich zu einem Vortrag über dieses Thema im Februar 2015 hatte ich mir meinen ganz persönlichen Sichtbarkeits-Filter zurechtgelegt.
Ein Konzept für den digitalen Fußabdruck
Mir war klar: In meiner digitalen Präsenz hat Privates nichts zu suchen. Weil ich aber gesehen habe, wie charmant die Social Media-Profis mit ihren Macken, Hobbies oder speziellen Interessen spielen und wie leicht die Leserinnen und Leser daran emotional andocken können, habe ich ein paar Aspekte definiert, die öffentlich sein dürfen.
Mein Tipp: Erstellen Sie sich ein Konzept für Ihren Auftritt: Was soll in Erinnerung bleiben? Was soll in Ihrer Privatsphäre bleiben? Was sollen andere über Sie erfahren? Und das halten Sie dann durch, egal, wie süß der Enkel oder wie schön der Cappuccino in der Abendsonne aussieht.
Zeigen Sie sich persönlich, aber nicht privat!
Privat sind Kinderbilder, Urlaubsfotos oder Bilder von Partys sowie privaten Situationen, Namen von Kindern, Verwandten oder Freunden. Zu Ihren privaten Inhalten gehören z.B. auch alle News zu Gesundheit, religiösen und politischen Überzeugungen, Ihr Familienleben oder Ihr Ehe- und Sexualleben.
Persönlich sind die Aspekte, die auf Ihre Arbeit bezogen sind – Gefühle, Haltungen und Handlungen im Job, in Ihrem Beruf! Dass das, was Sie in Ihrem Job täglich erleben und die Arbeit mit Ihren Kunden vertraulich bleibt, versteht sich von selbst. In vielen Unternehmen sind mittlerweile Social Media Guidelines etabliert, die den Rahmen der Inhalte, die man z.B. in seinem eigenen Blog oder auf Social Media Accounts zeigen kann, abstecken.
Persönlich ist …?
Dieser Satz hilft gut beim Ziehen der Trennlinie: Persönlich ist das, was man einem Fremden in der Bar bei einem Bier erzählen würde! Privat bleibt, was sie in dieser Situation nie erzählen würden.
Jedoch sollten Sie die Trennung nicht zum Anlass nehmen, nur Belangloses und Unverfängliches zu posten, denn dann entsteht kein adäquates Bild von Ihrem Business-Ich und Ihre Follower können emotional nicht andocken. Konzipieren Sie einen Personal Brand, ein öffentliches Set von Eigenschaften, Nutzen, Herzensangelegenheiten und Themen, für das Sie stehen.
Zu meinen Markenzeichen gehört z.B. das Teetrinken. In persönlichen Gesprächen erzähle ich oft, wie kurios ich um menschenwürdige Teeversionen in Cafes und Restaurants kämpfen muss. In Instagram oder Facebook teile ich gerne Bilder von schönen Tee-Erlebnissen und nehme das Vehikel des Teetassenfotos dazu her, um beispielsweise darüber zu berichten, auf welcher – beruflichen – Veranstaltung ich gerade bin oder mit wem ich den Tee teile. Das Ergebnis: Mittlerweile bereiten die Menschen, die mir in Social Media folgen, für ein Meeting einen schönen Tee zu, stellen mich auf Events unter dem Label „Teeliebhaberin“ vor und manchmal werde ich schon gar nicht mehr gefragt, ob ich einen Kaffee will und ich bekomme gleich mein Wunschgetränk. Das finde ich toll. Vor allem, weil es für umsatzrelevante „Markenzeichen“ auch funktioniert.
Authentisch klappt’s am besten, für die Wiedererkennbarkeit, für den Aufbau von Vertrauen und dass man willkommen ist bei den Followern, Fans und Freunden. Auch wenn mal ein Witz daneben geht, ein Foto unscharf ist oder im Text zwei Tippfehler sind, weil man die Brille vergessen hat.
Aber authentisch muss nicht „gläsern“ bedeuten. Auf die richtige Dosis kommt’s an und dass Sie mit sich selbst im Reinen sind, welche Anteile Ihrer Persönlichkeit öffentlich sein dürfen. Probieren Sie’s aus und erlauben Sie sich, Fehler zu machen. Zehn Tipps für parkettsichere Selbst-PR in Social Media habe ich übrigens hier zusammengefasst.
Vorlieben, alte und neue Lieben
„Ich mag Facebook nicht besonders. Muss ich denn da überhaupt sein?“ fragte mich ein Unternehmer. Nun, die zentrale Frage lautet: Wünschen sich die Kunden, die Multiplikatoren oder die relevanten Entscheider, über diesen Weg informiert zu werden?
Wo sind die Kunden, in welchen Plattformen, Social Media oder Business Netzwerken kann ich sie erreichen? Die Kunst ist es, diese Plattformen zu finden und dann zu überlegen: Wie kann ich mich mit den Plattformen und ihren Eigenheiten arrangieren? Was fühlt sich gut an für mich? Werde ich den Spaß dabei haben, den die Kunden spüren können?
Anonymität im Netz als Privileg?
Immer mehr Menschen, mit denen ich mich über dieses Thema austausche, empfinden eine Anonymität im Netz als Privileg. Wer unsichtbar bleiben will, sollte sich überlegen, welche analogen Strategien ihm zum Erfolg verhelfen.
Wer aber Geschäfte mit einer großen Zielgruppe machen will oder sich eine Karriere aufbauen möchte, wird um die digitale Sichtbarkeit in vielen Fällen nicht herumkommen. Wird sie aktiv gestaltet und nicht dem Zufall überlassen, kann viel Gutes entstehen: Mehr Bekanntheit, die Nähe zum Kunden, die Verbindung zu Multiplikatoren sowie das Entstehen von Öffentlichkeits-wirksamen Public Relations-Gelegenheiten.
Wie gestalten Sie Ihren digitalen Fußabdruck?
Eine Fülle von Anregungen für Ihr Personal Branding und Ihre Selbst-PR finden Sie in diesem Buch:
„Selbst-PR – Der goldene Weg zu mehr Sichtbarkeit und Erfolg„ Das Buch können Sie z.B. hier bestellen: Marie-von-Mallwitz-Verlag
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2 Antworten zu „Privatsphäre vs. Selbst-PR – wie Sie die Balance im Sichtbarkeitsdilemma finden”.
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[…] durchaus vor, weil meine Kunden so ein Gefühl für die Zusammenarbeit mit mir entwickeln können. Aber es gibt sowohl Themen, die in meinem Auftritt nichts zu suchen haben, als auch längere Online-…. Ich bin ein analoges Wesen und will es auch […]