Irgendwas zwischen Uaaaa und Jippiee! So fühlen sich 20 Jahre Selbständigkeit für mich an. 20 Jahre Public Relations, Sichtbarkeit und Selbst-PR: Schreiben, begeistern, vernetzen und spannende Themen in die Welt tragen. In dieser Folge: Wie alles begann und warum mir einer von Deutschlands führenden Coaches den Start in die Selbständigkeit ausreden wollte.
Gehe direkt ins Gefängnis, gehe nicht über Los, ziehe nicht 4000 DM ein: Mein erster Tag in der Festanstellung nach meinem Studium der Kommunikationswissenschaften war mein persönlicher Gang über die Seufzerbrücke: Anwesenheitspflicht. Urlaubsantrag. Eine Stechuhr. Ein Beton-Büro. Hierarchie. Unfreiheit. Ich glaube, ich war ein Early Adopter der GenY.
Der nächste Job – drei Jahre als Marketing Specialist bei einem IT-Distributor – war wirklich toll: Klasse Menschen, spannende Projekte, große Projektverantwortung. Immer Hochgefühl, Party und Vollgas. Doch mir war klar: Das wird nichts mit mir in einem festen Angestelltenverhältnis. Als Kreative, die Ruhe und Zeit braucht zum Schreiben, bot das Großraumbüro den Wohlfühlfaktor einer Autobahnbaustelle.
Also machte ich mich auf den Weg! Mein geheimer Plan A nahm Formen an. Ich recherchierte, fragte, plante. Und dann passierte einer von vielen glücklichen Zufällen – nach meinem ganz persönlichen Serendipity-Prinzip:
Mach Dich bloß nicht selbständig!
Im Frühjahr 1996 besuchte ich die Veranstaltung eines Frauennetzwerks in München. Neben mir saß eine blonde sympathische Frau und nach einer kurzen Vorstellung erzählte ich ihr, dass ich mich als PR-Fachfrau in die Selbständigkeit begeben wollte. Sie lächelte mich an und begann, meinen großartigen Plan A ohne Umschweife in Frage zu stellen:
„Selbständig sein, bedeutet selbst ständig zu arbeiten.
Und überhaupt, jede Menge Durchhaltevermögen ist gefragt!
Und das ist ganz schön aufwendig!
Das muss man sich wirklich ganz genau überlegen!“
Ich spürte: Das ist die Frau, die ich brauche! Nach ein paar Tagen rief ich sie an und vereinbarte einen Termin für eine Existenzgründungsberatung bei ihr. Meine Idee, mein Konzept, mein Businessplan – Monika Scheddin, heute einer der Top-Coaches in den deutschen Führungsetagen, sagte damals überrascht: „Wenn das so ist: Nur zu!“
Gründen war vor 20 Jahren eine ziemlich einsame Sache: Unterstützung vom Staat? Nein, wenn man selbst gekündigt hatte. Know-how von der Wirtschaftsförderung? Damals Fehlanzeige. Für mich – ein Kind der „Immer-40-Schüler-in-der-Klasse“-Generation – ein bekanntes Gefühl:
Von Dir gibt’s so viele. Wir haben kein Geld, keine Ressourcen, stell‘ Dich nicht so an!
Wer selbständig sein wollte, kümmerte sich eben von Anfang an selbst um alles:
- Telefon und ISDN-Anschluss – damals ein Kraftakt, der mit dem Abschluss eines technischen Studiengangs vergleichbar ist,
- Handyvertrag – das gute Ericsson in der Größe eines mehrbändigen Lexikons,
- PC – über die Prozessorleistung können wir heute nur lächeln,
- Notebook – heute ein historisches Gerät von Compaq,
- Visitenkarten, Logo, Briefpapier, damals noch unter dem Namen Daniela Lovric,
- Konto und – ganz wichtig:
- Kundenakquise!
Meine Startgefühle?
- Spannung,
- Optimismus(s),
- Freiheitsglück,
- Unsicherheit,
- Gestaltungsmacht und manchmal auch
- Angst, nicht das Einkommen zu erzielen, das ich brauchte.
Diese Angst schuf die Motivation, immer weiterzumachen, nicht an der Installationsbeschreibung der ISDN-Anlage zu verzweifeln und zu arbeiten – im Homeoffice, auch wenn’s draußen Badewetter gab…
Aber: Serendipity blieb eine konstante Begleiterin in meiner Selbständigkeit und gleichzeitig meine wichtigste Vertriebsstrategie, denn sie stellte immer wunderbare Menschen an meine Seite, die mich zum rechten Augenblick unterstützten: Kunden, Mitarbeiter, Empfehler, Kollegen, Agenturpartner, Netzwerkkontakte, Freunde und Familie!

Monika Scheddin blieb in meinem Leben eine immerwährende Größe und Mentorin. Und der von ihr gegründete Woman’s Business Club ist für mich seit 20 Jahren eine konstante Quelle der Inspiration und Verbundenheit mit wunderbaren Menschen.
Dieses Netzwerk ist ein wichtiger Bestandteil meiner Selbständigkeit, denn auch in einer ca. dreijährigen Familienpause blieb das Netzwerk mein Hafen für Austausch und Unterstützung sowie für das Knüpfen von Freundschaften. Mein Netzwerk gibt mir ein Gefühl der Sicherheit. Dafür bin ich sehr dankbar!
Irgendwas mit Medien
Mein Geschäftsmodell 1996? Für so manchen ein Rätsel. Dabei ist es ganz einfach: Ich weiß, wie Medien funktionieren. Ich weiß, was Journalisten brauchen. Ich weiß, was Unternehmen und Unternehmer-Persönlichkeiten brauchen, um bekannt zu werden. Ich kenne mich in der IT-Branche aus, kenne Medien, Journalisten sowie die Experten der IT-Welt. Und dieses Wissen habe ich seit dem 1.7.1996 für meine Kunden – Unternehmen aus der IT-Branche – eingesetzt:
- Journalisten kontaktiert,
- über die Unternehmen erzählt und sie für neue Themen begeistert,
- regelmäßig Presseinformationen zugeschickt,
- bei Messen Interviews mit Experten aus den Unternehmen vereinbart sowie
- Pressereisen und Pressekonferenzen arrangiert.
There’s always a bigger fish!
Doch PR ist noch viel mehr: Neben der Kontaktpflege mit den Pressevertretern und dem Aufgabengebiet einer „Pressestelle“ – also Presseanfragen zu beantworten oder Interviews zu managen – habe ich z.B. auch
- Medientraining für Pressesprecher durchgeführt,
- internationale Kundenzeitschriftenprojekte konzipiert und produziert,
- Fachartikel und Fallstudien recherchiert und geschrieben,
- Events konzipiert und organisiert oder
- die Redaktion einer Stellenmarkts-Beilage für eine Reihe von IT-Zeitschriften betreut.
Meine Kunden aus meiner Geschäftsidee von vor 20 Jahren: Vor allem amerikanische IT-Unternehmen, die ihre Präsenz in Europa und damit in Deutschland ausbauen wollten. Einige Unternehmen habe ich sieben Jahre und länger betreut: Vom Start-up in Deutschland mit zwei Personen bis hin zum Verkauf der Unternehmen an einen nächstgrößeren IT-Fisch.
Meine Kunden heute: Unternehmen hier in Deutschland, Vordenker*innen in Konzernen sowie Entrepreneuere, Berater*innen, Selbständige und Solopreneure, denen ich das Wissen vermittle,
- wie sie durch Selbst-PR langfristig Aufmerksamkeit und Vertrauen bei ihren Zielgruppen gewinnen,
- wie sie ein wirksames Image aufbauen und einen
- hohen Bekanntheitsgrad erzielen können.
- Zum Beispiel durch einen Blog, in Social Media, über PR und Pressearbeit.
Wie das kam? Ungefähr zur Halbzeit meiner Selbständigkeit veränderte ich mein Geschäftsmodell. Die drei Gründe:
- Erstens: Meine Familie.
- Zweitens: Etwas Neues, Spannendes tauchte am Horizont auf: Social Media, die den Menschen völlig neue Möglichkeiten bieten, ihre Sichtbarkeit und den Dialog mit ihren Kunden zu gestalten.
- Drittens: Ich erlebte das Wunder des kreativen und autobiografischen Schreibens. Ich absolvierte eine Ausbildung bei der bekannten Frankfurter Psychotherapeutin Dr. Konstanze Streese zur Anleitung von Schreibwerkstätten. Und ich begann, eigene Formate für Schreibwerkstätten zu entwickeln, um den Menschen die Kraft der Selbstreflektion durch das Schreiben zu erschließen. Mein absolutes Wow-Gefühl! Denn ich merkte schnell, wie sehr das Schreiben den Teilnehmenden helfen konnte, Vergangenheit zu bewältigen oder Zukunft zu gestalten. Das fühlte sich wesentlich besser an, als über die technischen Besonderheiten eines Gerätes zur Datenspeicherung zu schreiben…
Und was bleibt?
Diese Frage stellte Joachim Fuchsberger vor vielen Jahren immer am Ende seiner sehr erkenntnisreichen Interview-Show „Heut abend“. Ja, was bleibt von 20 Jahren Selbständigkeit?
Wunderschöne Erinnerungen:
- Fotos von gelungenen Events, Pressereisen, Messeauftritten mit schönen Begegnungen, spannenden Interviews und guten Gesprächen,
- kreative PR-Aktionen, die gut ankamen und Torten, die wir an Journalisten verschickt haben,
- einem CEO aufs Titelblatt eines Magazins verholfen zu haben,
- jede Menge Clippings zum Durchblättern,
- das PR-Buch, das ich mit Karl Fröhlich geschrieben habe, in der Flughafen-Buchhandlung zu entdecken oder
- Dankeschön-Briefe, Emails und Postkarten, Feedback und Referenzen von glücklichen Kunden, Teilnehmern von Schreibwerkstätten und Bloglesern!
Neben dem Gefühl unendlicher Dankbarkeit bleiben aber auch Erinnerungen an die „Downtime“, z.B. durch
- Insolvenzen von Kunden mit offenen Rechnungen,
- Steuervorauszahlungen – obwohl die Kunden ihre Rechnungen nicht bezahlen,
- gesundheitliche Herausforderungen,
- einen verlorenen Pitch, obwohl ich das beste Konzept abgegeben hatte, nur weil ich schwanger war,
- Neid und Missgunst oder auch
- Merger auf der Kundenseite, die ganz automatisch das Ende einer langjährigen erfolgreichen Zusammenarbeit bedeuten.
Ihr hattet auch schon Niederlagen oder schlechte Zeiten im Business? Für den erfolgreichen Umgang mit „Downtime“ möchte ich diese Erkenntnis mit Euch teilen: Wer im Business nicht fair spielt, wird manchmal kurz-, manchmal langfristig davon eingeholt. Karma wird’s richten, das habe ich immer und immer wieder erlebt. Wer anderen eine Grube gräbt – Ihr wisst schon! Also macht Euch keine Sorgen.
Ja, es ist wichtig, sich auch an die Gefühle des Misserfolgs zu erinnern. Denn die Schwierigkeiten, die ich erfolgreich gemeistert habe, haben mir jeweils den Schritt auf eine neue Gelassenheitsstufe ermöglicht! Søren Kierkegaard, ein dänischer Philosoph, sagte einmal:
Das Leben wird vorwärts gelebt und rückwärts verstanden.
Dem habe ich nichts hinzuzufügen!
Der Weg ist das Ziel
Selbständig zu sein, bedeutet, einen Weg zu gehen. Ich habe erfahren: Am Anfang kann man nicht unbedingt erkennen, wo er hinführen wird. Und er hält jeden Tag aufs Neue Überraschungen bereit! Nur ein paar Beispiele aus meinem Serendipity-Schatzkästchen:
- Ich hätte nie gedacht, dass ich einmal im privaten Learjet eines CEOs von einem Fachpressegespräch in München zu einem FTD-Interview nach Frankfurt fliegen würde.
- Ich wäre vor 20 Jahren nie auf die Idee gekommen, das Talent „Schreibenkönnen“ für meine persönliche Weiterentwicklung einzusetzen und dieses Wissen in Schreibwerkstätten an andere Menschen weiterzugeben.
- Nie hätte ich geglaubt, einmal selbst zu publizieren, nämlich einen Blog, in dem die Artikel nicht unter dem Namen meiner Kunden, sondern in meinem eigenen Namen Daniela Heggmaier veröffentlicht werden.
- Selbst Bücher schreiben? Vorträge halten? In Videos Kunden Tipps geben? Das war alles nicht auf meinem Radar.
Das ist Deutschlands wahrscheinlich kleinstes Pop-up-Museum, das ich am 1.7.2016 anlässlich des zwanzigsten Jubiläums meiner Selbständigkeit eröffnet habe. Weil man ja als PR-Expertin keine Werksbesichtigung anbieten kann, führte der Weg durch mein Museum vorbei an Bildern von den Menschen, mit denen ich in den vergangenen 20 Jahren ein Stück des Weges gemeinsam gehen durfte.
Danke für all die schönen Momente, danke an alle Wegbegleiter, die ihren Platz in meinem Museum gefunden haben! Nicht umsonst ist übrigens der Artikel „Wie man ein Dankbarkeitstagebuch schreibt“ der am meisten gelesene in meinem Blog!
3 Antworten zu „Serendipity: Rückblick auf Glücksgefühle in 20 Jahren Selbständigkeit”.
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