#personalbrandmix unter veränderten Vorzeichen: Personal Branding nach der Corona-Krise

Die Welt steht Kopf. Deshalb werde ich die Fragen nach der Gestaltung einer Personenmarke aus der Blog- und Webparade #personalbrandmix 2020 von Dr. Kerstin Hoffmann aus einer Zukunftsperspektive beantworten, nämlich aus der Zeit nach der Corona-Krise: Wie sich Personal Branding entwickeln und wie sich alles verändern kann.

Zurück aus der Zukunft? Der Zukunftsforscher Matthias Horx nennt diese Form der Vorausschau RE-Gnose: „Im Gegensatz zur PRO-Gnose schauen wir mit dieser Technik nicht ‚in die Zukunft‘. Sondern von der Zukunft aus ZURÜCK ins Heute.“ Er hat einen lesenswerten Text dazu geschrieben, denen ich Ihnen sehr ans Herz lege, und der auch mein Zukunftsempfinden wiedergibt: Die Welt nach Corona. Die Corona-Rückwärts-Prognose: Wie wir uns wundern werden, wenn die Krise „vorbei” ist

Meine RE-Gnose beginnt Herbst 2020. Ich besuche ein Netzwerktreffen. Ja, alle sind gekommen und freuen sich über das Wiedersehen: Wir umarmen uns innig und wir unterhalten uns über die vergangenen Monate. Immer wieder höre ich die Frage: Was kann ich für Dich tun? Wie kann ich Dir helfen?

Herbst 2020: Worüber werden wir uns rückblickend wundern?

Wir werden uns wundern, dass ausgerechnet Social Distancing zu einem neuen Wir-Gefühl geführt hat. In Netzwerken, Freundschaften, Kundenbeziehungen und Kollegenkreisen sind wir im Laufe vieler intensiver Telefonate durch die Rückbesinnung auf Anteilnahme und Empathie viel näher zusammengerückt. Wir sind so glücklich über dieses intensive Gefühl der Zusammengehörigkeit und gegenseitigen Wertschätzung.

Wir haben viel zusammen durchgemacht. Dadurch haben wir neue Formen der digitalen Zusammenarbeit entdeckt. Mitten in der Krise wurde uns allen klar, wie wichtig im Online-Kollaborations-Kontext eine authentische Online-Präsenz ist: Denn nur mithilfe aussagefähiger Profile in Business-Plattformen und sozialen Netzwerken sowie digitaler Auffindbarkeit konnten die Menschen, als die Verzweiflung groß war und die Zeit knapp durch Lernen, Umorientieren und Ausprobieren, auf den ersten Blick erkennen:

  • Dieser Mensch macht x, y, z und ist in meiner Situation für mich der richtige Ansprechpartner.
  • Dieser Mensch kennt sich in diesem Thema besonders gut aus und kann mir schnell und zuverlässig helfen.
  • Auf diese Weise unterscheidet sich dieser Mensch von anderen, die in diesem Bereich tätig sind.
  • Dieser Mensch ist anerkannt, hat viele Follower, Empfehler und ist gut vernetzt mit anderen Expert*innen.
  • Dieser Mensch denkt so wie ich, hat ähnliche Werte. Er passt zu mir, zu unserem Unternehmen, zu unserem Team.
  • Dieser Mensch hat Autorität, sein Wort, seine Meinung, seine Einschätzung werden als wertvoll erachtet, liefern Halt und Orientierung.

Wir fingen wieder an, uns um einander zu kümmern

Wir fragten bei Nachbarn nach, ob wir für sie einkaufen können oder ob sie Hilfe brauchen. Wir ließen Freundschaften aufleben, sind in der Familie enger zusammengerückt und engagierten uns in Netzwerken und Clubs, um für die lokale Community unsere spezifischen Fähigkeiten zum Wohle der Menschen einzusetzen, die sie gerade brauchen.

Plötzlich war es da, das Wir-Gefühl

Denn es war so viel leichter, die Unsicherheit zu ertragen, wenn wir Hilfe anbieten, annehmen oder geben konnten. Es etablierte sich ein neues Narrativ: Nicht mehr das vom einsamen Helden, der alleine die Welt rettet. Nein, es war plötzlich das Narrativ der Kollaboration und Kooperation, das Helden hervorbrachte. Überall entstanden Initiativen, die von Menschen spontan ins Leben gerufen wurden, und Netzwerke, die sich ad hoc bildeten, sich digital organisierten und kommunizierten und wieder verschwanden, sobald ihr Daseinszweck erfüllt war.

Die Zeit im Frühjahr 2020 erlebten wir voller Unsicherheiten und Existenzängste. Doch wir lernten, damit umzugehen und die Chancen darin wahrzunehmen, trotz aller Sorgen um unsere Herzensmenschen. Wir hielten immer wieder inne, stärkten uns in Telefonaten und mit kreativen Online-Formaten, wie z.B. meinem damals wöchentlichen #VirtualLunch (Alternativen finden in Zeiten der Krise: Über den Plan B), sprachen uns Mut zu und übten uns in Achtsamkeit.

Matching für die Führungskräfte der Post-Corona-Wirtschaft

Die Headhunter und Personalverantwortlichen sahen sich in dieser Zeit genau die Social-Media-Kanäle ihrer eigenen Führungskräfte sowie die potentieller Kandidaten für die Führungspositionen von morgen an. Auch wer einen Auftrag zu vergeben hatte, gewann in den Turbulenzen der Corona-Krise einen guten Einblick, wer gerade mit beiden Beinen auf dem Boden stand – und wer nicht. Ja, die Krise zeigte uns deutlich, wer zum „Anpacken-Modus“ der Post-Corona-Zeit und zum neu entstandenen Team-Spirit passte – und wer nicht. Es war das Ende des Erfolgs der Selbstdarsteller, der Narzissten und der Menschen, die sich mit ihrem perfekt designten Personal Brand nur um sich selbst drehten und ihrem Online-Auftritt mehr Bedeutung zumaßen als der Pflege ihrer Beziehungen und ihrem Kerngeschäft. Es war das Ende des Erfolgs der Menschen, die sich mit Impulsivität, Drama und sinnlos riskantem Verhalten in den Vordergrund spielten.

Viele Menschen fanden im Frühjahr 2020 heraus, mit wem sie Zukunft gestalten wollten – und mit wem nicht. Sie lernten in der Corona-Krise:

  • Dieser Mensch zeigt sich authentisch – online wie IRL (in real life, im echten Leben).
  • Dieser Mensch ist glaubwürdig und zeigt sich verbindlich. Er hält, was er verspricht. „Walk Your Talk!“ lautet sein Motto.
  • Dieser Mensch ist sympathisch und er kommuniziert empathisch. Er tritt gefühlvoll auf und bleibt nachhaltig in Erinnerung.
  • Dieser Mensch ist kompetent und hat relevante Antworten auf meine drängenden Fragen.
  • Dieser Mensch teilt sich nur mit, wenn sie oder er auch etwas zu sagen hat und nicht, um Aufmerksamkeit zu gewinnen oder um den Algorithmus der Social Media-Plattformen zu füttern.
  • Dieser Mensch ist ein echter Leader, eine Führungskraft, die Kunden und die Menschen im eigenen Team wahrnimmt, mitnimmt, begeistert und sie zu ihrem höchsten Potential führt.
  • Dieser Mensch repräsentiert sein Unternehmen wahrhaftig und spielt keine aufgesetzte Rolle. Er zeigt konsequent Haltung.
  • Dieser Mensch ist ein echter Experte mit beeindruckendem Sach- und Fachwissen.
  • Dieser Mensch steht für etwas, er lebt seinen Purpose. Er übernimmt Verantwortung.
  • Dieser Mensch weiß, wann Zuhören angesagt ist und wann Verkaufen. Social Selling hält er für die Quadratur des Kreises.
  • Dieser Mensch denkt in Lösungen und engagiert sich für Kunden, Mitarbeiter und seine Community.
  • Dieser Mensch vermeidet den Empörungs- und Angst-Modus sowie pauschale Schuldzuweisungen (z.B. gegen „die da oben“ oder „die breite Masse“). Er bleibt stattdessen ruhig, gelassen, er motiviert und vermittelt Sicherheit.

Ja, die erfolgreichen Personenmarken konzentrierten sich während der Corona-Krise auf das Positive und das Konstruktive, auf Solidarität sowie das Helfen und Finden von Lösungen. Sie kommunizierten kurz, prägnant und wertschätzend. Geduldig wiederholten sie wichtige Botschaften, setzten auf Aufklärung statt auf Hysterie, Panikmache und Verschwörungstheorien. Sie wurden unsere Vorbilder, denn sie lebten vollständig in unserer neuen Geschichte und verkörperten sie auch. Sie teilten gewonnenes Wissen und relevante Erfahrungen rasch und verständlich aufbereitet auf ihren ausgewählten Kanälen. Sie sorgten für Klarheit im verunsichernden Gewirr der täglichen Corona-Schreckensmeldungen und der DAX-Einbrüche.

Wir Gefühl Post-Corona Personal Branding Hype vorbei
Der Personal-Branding-Hype mit großen Egos ist heute vorbei

Personal Branding hat nach der Corona-Krise aufgehört, mit künstlichen Konstrukten aus der Marketing-Welt die Menschen zu einer Marke zu formen. Denn Menschen sind bereits unverwechselbar: Sie haben eine Persönlichkeit, und die muss nicht konstruiert werden, denn sie ist schon da. Der Aufbau einer Personenmarke lebt heute von der Kraft der Fokussierung, also der Konzentration der Energie auf die Community, den Purpose der Person, auf Emotionen sowie auf Botschaften, relevante Themen und Kanäle.

Eine klare Differenzierung und Positionierung ist nach wie vor der Ausgangspunkt unserer Sichtbarkeit. Doch Personal Branding ist in unserem neuen Wir-Kontext lediglich der Startschuss und damit eine Unterdisziplin von Selbst-PR, der liebevollen und wertschätzenden Pflege von „öffentlichen“ Beziehungen.

Die Menschen entfolgten während der Krise vor allem den Wichtigtuern, Oberlehrern und Besserwissern. Andere, bescheidenere Helden stehen heute im Rampenlicht, denen Beziehungen sowie das Wohl ihrer Community sichtbar und spürbar am Herzen liegen. Wir wissen: Sie tun das Zweckmäßige und Machbare. Sie zeigen sich transparent und natürlich, sie treten persönlich, aber nicht privat auf. Ihnen zu folgen vermittelt Wohlgefühl und Zugehörigkeit. Wir vertrauen diesen neuen, großzügigen Helden. Ihr authentischer Optimismus rührt unser Herz, ihre Tatkraft steckt uns an. Durch ihre Haltung voller Dankbarkeit, Großzügigkeit und Vertrauen sowie durch ihren Wunsch zu Dienen und zu Geben sind sie große Vorbilder geworden.

Das neue Narrativ hat starke Anziehungskraft

Nach der Corona-Krise fingen viele Menschen damit an, mutig die eigene Sichtbarkeit mit Liebe und Freude zu gestalten, denn sie spürten: Sichtbarkeit und Authentizität schaffen wertvolle Beziehungen, die – in guten wie in schlechten Zeiten – einen echten Mehrwert bieten. Sie freuten sich am Erkunden der eigenen Identität, am eigenen Ausdruck, am achtsamen Gehört- und Gesehenwerden. Sie liebten die Resonanz, die sie erzielten. Dabei waren sie ganz entspannt, denn sie fühlten sich plötzlich befreit vom eigenen Perfektionismus und dem Hinterherhecheln hinter den einstmals so überaus sichtbaren Profilen der omnipräsenten Oversharer.

Lernen durch Storytelling und das Gewinnen von Aufmerksamkeit für eigene Themen und Ziele wurden Schulfächer, mein Selbst-PR-Buch Teil des Lehrplans für alle Schularten. Dieser Paradigmenwechsel bedeutete das Ende der schweigenden Mehrheit. Und Selbst-PR und Personal Branding entwickelten sich zu einem selbstverständlichen Bestandteil des Dienens für die Gemeinschaft.

Etwas bewirken – das fiel uns mithilfe unserer Eigenmarke, Sichtbarkeit und der Kraft unserer Community zunehmend leichter. Um es mit dem Kulturphilosophen Charles Eisenstein zu sagen: „Wenn wir im Dienst einer Sache stehen, die echt ist, und wenn wir davon sprechen, dann haben diese Worte Macht“ (aus „Die schönere Welt, die unser Herz kennt, ist möglich“ Scorpio 2017, Seite 111).

Es ist nicht mehr kostenlos, daher sind wir nicht mehr das Produkt

Wir wunderten uns, warum wir nicht schon früher auf die wunderbaren Cocreation- und Kollaborations-Tools gekommen waren, für die wir heute bezahlen und damit die Vertraulichkeit unserer Daten genießen. „Komm in die Gruppe!“ bedeutet seither, dass wir uns in einem ablenkungsfreien Umfeld auf unsere Aufgaben konzentrieren – und mit anderen zusammenarbeiten können.

Wir Gefühl Post Corona sich neu erfinden

Das Ende des Gießkannenprinzips: Ein neuer #personalbrandmix

Die Menschen schauten genau, wo sich ihre Community vernetzte und wählten gezielt ihre Kanäle aus, statt alle verfügbaren Kanäle mit den ewig gleichen zeitraubenden Ich-Botschaften zu befüllen. Wir begannen, für unsere Teilhabe an Social Media-Kanälen zu bezahlen und beendeten damit die Diktatur der sich wöchentlich verändernden Algorithmen und die Befüllung unserer Feeds mit Werbebotschaften. Dadurch bekamen wir mehr Zeit, um uns um die Menschen in unserem Umfeld und unseren Gemüsegarten zu kümmern.

Der Lärmpegel im sozialen Netz sank, daher mussten wir weniger Energie aufbringen, um uns mit unseren Botschaften vernehmbar zu machen. Hass und Empörungskultur verschwanden aus den sozialen Netzen, denn nun hatten viel mehr Menschen das Gefühl, gehört, gelesen und wahrgenommen zu werden. Die gegenseitige Wertschätzung und das Gefühl der Selbstwirksamkeit wuchsen und plötzlich erlebten wir wieder eine bereichernde Debattenkultur. Wir wunderten uns, wie wir all die Hetze und Häme vorher nur aushalten konnten.

Um hier noch einmal Matthias Horx zu zitieren: „Reality Shows wirkten plötzlich grottenpeinlich. Der ganze Trivia-Trash, der unendliche Seelenmüll, der durch alle Kanäle strömte. Nein, er verschwand nicht völlig. Aber er verlor rasend an Wert. Kann sich jemand noch an den Political-Correctness-Streit erinnern? Die unendlich vielen Kulturkriege um … ja um was ging da eigentlich?“

Wir brauchen Wunder!

Ja, auf unserem Netzwerktreffen heute sind wir gespannt auf das, was kommen wird. Wir sind bereit, wiederaufzubauen. Wir sind bereit, Wirtschaft und Geldverdienen neu zu denken. Wir wollen uns vor allem lokal unterstützen und unabhängig machen von globalisierten Lieferketten, „Offshoring“ und vielen anderen Geldsparmodellen, die uns langfristig mehr Probleme bereitet hatten als sie kurzfristig Geld einsparen konnten. Wir wollen nachhaltig agieren und lernen, das Richtige zu tun.

Dafür sind wir heute, ein halbes Jahr nach der Corona-Krise, bereit, uns neu zu erfinden: #beboldforchange!