Was wollen Journalisten? 5 Fragen an den Chefredakteur Karl Fröhlich

Karl Fröhlich ist Chefredakteur der Online-Publikation www.speicherguide.de und des Blogs „Gut essen in München„. Im Jahr 2003 verfassten wir zusammen das Buch „Pocket Business: Public Relations“ für den Cornelsen Verlag, das 2008 in der zweiten Auflage erschien. Beim Grillen sprachen wir über das, was sich Journalisten von den Pressestellen und PR-Agenturen wirklich wünschen.

Karl, 2003 haben wir unser PR-Buch zusammen geschrieben. Was hat sich für Dich als Journalist in Sachen PR seither verändert?

Karl Fröhlich
Karl Fröhlich

Im Vergleich zu damals steckte das Internet quasi noch in den Kinderschuhen. Heute gibt es viel mehr Inhalte. Durch Blogs sehen sich viele Nicht-Journalisten auch als eine Art Reporter. Über Social Media haben viele Unternehmen zudem die Möglichkeit intensiver mit ihren Kunden zu kommunizieren. Jedes Print-, Hörfunk- und TV-Medium hat jetzt auch interaktive Online-Angebote, die die LeserInnen mit Ihren Tablet-PCs und Smartphones überall lesen, sehen und hören können. Es sind zahlreiche neue Formate entstanden, wobei ich speziell die mediale Entwicklung im Bereich Tablets und eMagazine noch am Anfang sehe. Social Media hilft uns Medienschaffenden den Dialog und die Vernetzung mit unseren Lesern sowie den Playern in unserer Branche zu intensivieren.

Das Panda-Update von Google wie auch das aktuelle Penguin-Update hat die Arbeit der Online-Publikationen stark verändert: Gleiche Inhalte filtert die Suchmaschine einfach heraus. Im Prinzip sind Online-Journalisten gezwungen, PR-Materialien stark umzuschreiben und verstärkt selbst verfasste Inhalte zu publizieren. Dies gilt grundsätzlich auch für PR-Leute, die aufhören müssten, Pressemitteilungen im Gießkannenprinzip, z.B. über kostenlose Presseportale, zu streuen. Sie sollten ihre Botschaften besser den jeweiligen Schlüsselmedien anpassen und mit interessanten Zusatzinfos bzw. Recherchequellen anreichern. Hier habe ich aber keine große Hoffnung, dass dies von den PR-Leuten erkannt und umgesetzt wird. Gleichzeitig bleibt vielen Kollegen aber gar nicht die Zeit, lange an eine Geschichte hinzurecherchieren.

Wie sieht das mit stillen und bewegten Bildern aus?

Bei den meisten Marketing-Abteilungen ist es noch nicht angekommen, dass das Internet ein Medium der Bilder und Videos ist. Vielen Pressestellen im In- und Ausland fehlt es am Grundwissen, der Erfolg von Portalen wie Flickr oder Pinterest und allen voran YouTube entgeht den meisten. Nach wie vor stehen uns noch zu wenige aussagekräftige, kreative Bilder und Infografiken zur Verfügung. Hier besteht großer Nachholbedarf. Das Paradies des Journalisten ist ein offener Online-Bereich, in dem wir auf einen Klick Zugang z.B. zu Presseinformationen in Deutsch, Bildern, Management-Biografien, Videos, Präsentationen und Ansprechpartnern haben. Die Autoindustrie ist hier schon bedeutend weiter.

Spielen Werte im Kontakt mit den Unternehmen eine Rolle?

Wir erleben die unterschiedlichsten Dinge. Versuchte Einflussnahme auf die Berichterstattung und Drohungen auf der einen Seite. Auf der anderen Seite erleben wir gewachsene, fruchtbare und langjährige Beziehungen zu PR-Fachleuten und Firmensprechern auf der anderen Seite. Hier spielen die Werte Ehrlichkeit, Fairness und Engagement eine große Rolle. Und natürlich die jeweiligen Persönlichkeiten, mit denen wir zu tun haben. Oft erleben wir, dass Ansprechpartner von Pressestellen im Ausland oder von großen, internationalen Agenturen uns nicht optimal informieren können, weil sie mit unserem Markt, kulturellen Anforderungen und lokalen Marktbedürfnissen nicht vertraut sind. Vollkommen unverständlich ist für mich, dass speziell US-Vertreter immer noch nicht gelernt haben, dass sich deutsche bzw. europäische Journalisten nicht mit dem platten Marketing-Blabla abspeisen lassen, wie die amerikanischen Kollegen. Wir machen sehr gute Erfahrungen mit Fachleuten, die die deutschen IT-Landschaften und natürlich auch die Bedürfnisse der Leser und Journalisten hier gut kennen.

Mit welchen Angeboten sind PR-Leute bei Journalisten willkommen?

Mit Fleisch, also mit wirklich relevanten Sachen: Mit gut recherchierten, exklusiven Fachartikeln und Fallstudien, die lokale Marktgegebenheiten berücksichtigen. Mit kreativen Informationskampagnen, die die Medien auch als Werbeträger voran bringen. Mit Marktzahlen, die Deutschland, Europa und weltweite Märkte vergleichen. Mit respektvollen PR-Ansprechpartnern, die ein Nein als Nein akzeptieren, sich am Telefon kurz fassen, die auch zuhören können. Die uns Materialien liefern, die in Text und Bild für unsere Leser ansprechend und interessant sind. Und mit Gesprächspartnern, die authentisch sind und sich wirklich gut auskennen. Für mich ist immer wichtig, dass das Thema passt. Ein vermeintliches Exklusiv-Interview interessiert mich zum Beispiel erstmal gar nicht.

In einem amerikanischen Blog sagt Adam Singer, Product Marketing Manager bei Google: “You don’t need media anymore – go directly to consumers.” Focus Online schreibt über die Software Narrative Science, die aus strukturierten Daten Artikel über Baseballspiele oder Quartalszahlen produzieren kann. Werden wir bald keine Journalisten mehr brauchen?

Journalisten wird es immer geben, denn eine neutrale, objektive Berichterstattung ist weiterhin notwendig. Für die Verbraucher wird das Internet immer unübersichtlicher durch eine Fülle von Blogs, Kampagnen-Webseiten oder Pseudo-Events. Die Glaubwürdigkeit der Informationsquellen ist oft schwer zu überprüfen. Die Informationsflut ist durchaus schwer zu bewältigen – Medien werden aber nach wie vor genutzt.

Für die Presse wird mehr denn je das Motto gelten „get big, get niche or get out“. Für Journalisten wird es künftig schon schwieriger sich zu behaupten. Schreiben alleine wird in eine paar Jahren eventuell nicht mehr ausreichen, wir werden uns auch mit Moderation und Video beschäftigen müssen. Gleichzeitig ist es für jedermann durchaus machbar, sich mit einer guten Idee und guten Inhalten ohne großen Verlag im Hintergrund zu etablieren.

YouTube sehe ich hier noch als ein unerschlossenes Betätigungsfeld. Bereits jetzt schaltet ein großer Teil des werberelevanten Publikums um 20 Uhr nicht den Fernseher ein, sondern schaut sich YouTube-Inhalte an.Eine Tendenz, die an Journalisten, Pressestellen und auch Werbeagenturen noch komplett vorbeigeht…

Vielen Dank, lieber Karl, und guten Appetit!

Grillen