„Wenn Sie mir beweisen können, dass man mit PR auch nur ein Produkt mehr verkaufen kann, dann probiere ich das mal zwei Monate lang aus!“ Kann PR mit dieser Einstellung erfolgreich sein? Nein. Dazu braucht es ein größeres Commitment. Dazu braucht diese Disziplin Liebe und Verständnis – vor allem von „ganz oben“. Und dann klappt’s auch mit der Presse und den Kunden. In diesem Artikel lesen Sie: Ein Interview mit Dr. Ronald Heggmaier über Organisationsentwicklung und meine sechs Erfolgsfaktoren für PR.
Ob PR in einem Unternehmen erfolgreich sein kann, sieht man oft schon am Organigramm, ganz unabhängig davon, ob es sich um ein mittelständisches Unternehmen handelt oder um einen Konzern. Das erinnert Sie an Kaffeesatzlesen? Hört sich so an, ist aber deutlich einfacher als die Sache mit dem Kaffeesatz.
Nach meinen mehr als 25 Jahren Tätigkeit in oder für kleine, mittlere oder große Organisationen genügt oft nur ein Blick auf die Übersicht der einzelnen Abteilungen, um zu sehen: Das rockt oder das floppt! Sehen wir uns die typischen Organisationsszenarien in Bezug auf PR und Öffentlichkeitsarbeit einmal genauer an:
Der Klassiker-Variante: PR gehört zu Marketing gehört zum Vertrieb: Die meisten Unternehmen folgen einer ganz klassischen Auffassung, nämlich Vertrieb und Marketing gehören zusammen, Chef ist der Vertriebsleiter. Vorteil: Alles ganz Produktgetrieben und nah am Kunden. Nachteil: Pure Absatzorientierung, Produkt-PR-lastig, PR ist zu weit weg von der Geschäftsführung und den langfristig vertrauensbildenden Informationen und Aktionen. Die ewig-gestrigen Grabenkämpfe zwischen Vertrieb und Marketing: „Ihr liefert uns nicht genügend Kunden!“ und „Ihr macht Euren Verkäufer-Job nicht richtig!“.
Die Profi-Variante: PR ist Teil einer eigenen Marketing-Organisation im Unternehmen, die da heißt: Marcom oder Unternehmenskommunikation oder eben Marketing. Darin tummeln sich die Aufgaben rund um PR, Öffentlichkeitsarbeit, Pressearbeit, Events, Werbung, Social Media, Webauftritt. Vorteil: Hier sind Profis am Werk, die Disziplin verfügt über ein Commitment. Nachteil: Budget-Grabenkämpfe weg von der Image-orientierten PR hin zu kurzfristig verkaufsfördernden Aktionen und den Budget-hungrigen neuen Social Media-Aufgaben.
Die Pressesprecher-Variante: PR ist in Form einer Stabsstelle direkt an die Geschäftsleitung angebunden. Vorteil: Das Ohr ganz nah an der Strategie, der Vision. Nachteil: Manchmal zu weit weg vom „Tagesgeschäft“ und den Kunden.
Die Matrix-Variante: Ein Projektmanager leitet ein Projektteam, z.B. einer Produktgruppe oder einem Service, zu dem auch ein PR-Spezialist gehört, und der disziplinarische Vorgesetzte des PR-Spezialisten, z.B. ein Marcom-Leiter, bestimmt über die Ressourcen und Technologie. Vorteil: PR-Spezialisten können direkt in Projekten Know-how einbringen. Nachteil: Koordinationsaufwand, um Unternehmensweite Aktionen auf den Weg zu bringen.
Die US-Variante: Das Marketing sitzt in USA und die PR der deutschen Niederlassung wird von einer Agentur betrieben, die vom deutschen Vertriebsteam und dem amerikanischen Marketingleiter „gesteuert“ wird. Vorteil: Professionelle PR und Pressebetreuung. Nachteil: US-Agenda Setting entspricht nicht den lokalen Markt- und Informationsbedürfnissen. Mit der Agentur gehen die Kontakte.
Die Startup-Variante: PR macht bei uns die oder der so gut schreiben kann, schon mal bei der Zeitung gearbeitet hat oder unheimlich viele Journalisten kennt. Vorteil: Persönliches Engagement von Gründer-Talenten bringt bessere Resultate. Nachteil: PR ist immer eine Zusatzaufgabe und kann leicht untergehen.
Die Wir-brauchen-keine-PR-Variante: Wenn Presseanfragen kommen, werden diese vom Sekretariat oder Empfang bearbeitet. Ansonsten zeigt sich der Vertrieb als so erfolgreich und die Produkte erweisen sich als so toll, dass man PR einfach nicht in seinen Jahresplan aufnehmen möchte. Vorteil: Spart Geld. Nachteil: Das Unternehmen bleibt über seine Grenzen hinaus unbekannt, eine Kundenbindung findet nicht statt und wenn morgen der Konkurrent aus China für 20% weniger anbietet, sind alle Kunden weg.
PR muss mitwachsen
Und welche Variante ist jetzt die Richtige? Das habe ich einen Experten für Organisationsentwicklung gefragt, den Management-Berater Dr. Ronald Heggmaier, Geschftsführer der Cemitt GmbH und mein Mann:
Dr. Ronald Heggmaier: „Die grundsätzlich richtige Variante gibt es nicht. Es gibt nur die richtige Variante für einen gewissen Zeitpunkt. Unternehmen entwickeln sich weiter – wie ein Organismus. Mit dem Unternehmenswachstum verändern sich die Anforderungen an das Marketing, an die PR, an alle Unternehmensbereiche. Darum ist es so wichtig, dass sich Unternehmen regelmäßig den Spiegel vorhalten: Sind wir derzeit prinzipiell richtig aufgestellt? Passt das für das nächste Jahr auch noch? Sind wir jetzt ein 20.000-Mitarbeiter-Unternehmen mit dem Spirit einer großen zielorientierten Familie, oder denken wir organisatorisch immer noch wie ein kleines Start-Up-Unternehmen in der Garage, das sich hauptsächlich mit der Lösung von Produktproblemen und der möglichen Vermarktung beschäftigt?“
Doch obwohl bekannt ist, dass vorbeugen besser ist als bohren, gehen viele erst bei Zahnschmerzen zum Zahnarzt, oder?
Dr. Ronald Heggmaier: „Der goldene Satz der Organisationsentwicklung lautet: Bleiben die Rahmenbedingungen – Kunden, Wettbewerber, Produkte und Services – des Unternehmens gleich, so braucht sich auch die Organisation nicht grundlegend zu verändern, sofern sie prinzipiell richtig aufgestellt ist. Ändern sich jedoch die Rahmenbedingungen und damit die Anforderungen der Umwelt an das Unternehmen, ist eine Anpassung der Organisation für ein langfristiges Überleben unausweichlich!“
Doch wann erkennen die Entscheidungsträger im Unternehmen, ob sich ein Umfeld ändert?
Dr. Ronald Heggmaier: „Das ist die entscheidende Frage: Wenn wir nah mit Auge und Ohr am Kunden sind und die Entwicklungen erahnen bevor die Zahlen sich verschlechtern, oder erst, wenn wir Kunden und Marktanteile verlieren? Unternehmen haben erhebliche Schwierigkeiten, eine Organisation anzupassen, vor allem bei Bereichen, die scheinbar nicht unmittelbar zum Überleben des Unternehmens beitragen. Viele reagieren erst, wenn sie bereits in den Abgrund blicken. Was da hilft? Ein regelmäßiger Blick von außen auf die Organisation, standardisiert und sachlich.“
Vielen Dank für das Interview!
6 Erfolgsfaktoren für Public Relations
Letztendlich sind Organigramme immer ein Ausdruck des Geistes, der in einem Hause weht. Und dieser Geist gehört der Geschäftsleitung. Immer wieder habe ich erlebt, dass die Geschäftsleiterinnen, die CEO’s oder die Firmenchefs, die die Notwendigkeit von PR erkannt haben, die den Kontakt mit der Presse als wertvollen Austausch empfinden und Liebe und Engagement investieren, deutlich mehr Aufmerksamkeit in den Medien aufbauen können.
Diese sechs Faktoren braucht PR heute in einem Unternehmen, um zum Unternehmenserfolg erheblich beitragen zu können:
1. PR braucht Liebe vom Chef: Wenn die Geschäftsleitung die Notwendigkeit von PR nicht erkennt, wird es schwierig und manchmal unmöglich, das richtige Personal und Budget zuerkannt zu bekommen. PR ist eine Top-Down-Disziplin, Chef-Commitment ist Pflicht.
2. PR braucht Kontinuität: Aufmerksamkeit und Vertrauen lassen sich nicht in zwei Monaten aufbauen. PR läuft immer. Nicht nur in Kampagnen, sondern das ganze Jahr über, jedes Jahr. Nur dann ist sie glaubhaft.
3. PR braucht Talente: PR braucht Menschen, Kommunikatoren, die über die notwendigen Kompetenzen verfügen, Fähigkeiten und Kontakte. Sie braucht Themen-Evangelisten, Storyteller, Firmensprecher, Agenturen oder Freelancer, die mit Begeisterung und Professionalität bei der Sache sind.
4. PR braucht Budget: Obwohl man Presseinformationen heute nicht mehr mit der Post verschickt – es fallen immer Kosten für PR an: Gute Fotografen, Texter, Presseverteiler, Blogs, Speaker-Training, Presse-Events usw. usw. Umsonst gibt’s nichts, auch nicht in der PR.
5. PR braucht echte Geschichten: Einfach so draufloskommunizieren – das funktioniert heute nicht mehr. Unternehmen müssen die Geschichten finden, die nur sie erzählen können, ihre Marke und Positionierung vermitteln, sich unterscheidbar machen.
6. PR braucht Innovation: Auch PR braucht Innovation, nicht nur Produkte und Services! Warum nicht mal experimentieren und eine Abteilung für Kundengefühle ins Leben rufen? Eine Matrix-Organisation für Markengestaltung etablieren? Einen Chief Corporate Storyteller ernennen?
Wie sieht Ihr Organigramm aus? Hat PR eine Chance zum Erfolg?